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Komm flieg mit // The trip begins here
Asian Granny Exploration // 05.02.2010

The Longest Way

Frueh aufstehen, wie es sich fuer den urlaub gehoert, durch Bruessel hetzen, in Delhi zum schaf werden und dennoch spass dran haben.

Halb fünf uhr morgens aufstehen, trotz des bevorstehenden abenteuers fällt's schwer, auch wenn an schlaf eigentlich ohnehin nicht wirklich zu denken war. Alles in mir kribbelt und fiebert, ich will endlich weg und vor allem schon dort sein, obwohl ich mich auf den flug an sich auch schon sehr freue. Und natürlich bin ich extrem wundrig, wie es mit Oma Leni laufen wird.

Die längste zeit, die wir je gemeinsam verbracht haben, war als ich etwa elf oder zwölf war und Christian und ich sie für eine woche in Salzburg besucht haben, um von dort aus einen Skikurs in Werfenweng zu absolvieren. Aber da war eben Chris dabei, da war auch noch Opa Sepp dabei und wir waren viel zu sehr mit uns beschäftigt, um sich mit den großeltern auseinanderzusetzen. Ausserdem war ich damals noch viel schüchterner und zurückhaltender als jetzt, das war in einer ganz anderen zeit, einer anderen welt, in einem anderen ich ...

Meine eltern bringen uns dankenswerter weise trotz viel zu früher stunde zum flughafen und da wird erstmal hauptsächlich geschwiegen - kein wunder, unsere körper bestehen zu dieser zeit noch eher auf schlaf als auf weltreisen. Gut, papa plaudert, aber er redet ohnehin immer, und immer viel, aber das zeichnet ihn ja auch aus, es löst die stimmung.

Das einchecken am flughafen geht schnell, es sind nicht viele leute beim schalter von Brussels Airlines. Europäische hauptstadt hin oder her, wer fliegt da schon im winter freitag früh hin. Wir haben ausserdem glück, das gepäck wird bis Bangkok durchgecheckt, und wir können jedes mal nebeneinander sitzen, bei der ersten und der letzten etappe haben wir sogar einen fensterplatz. Das abschiedsprozedere haben wir schnell hinter uns, zeit für den ersten kaffee - und da bricht die vorfreude und aufregung aus uns beiden heraus, wir geraten sehr schnell in unablässiges schwafeln, sind wahnsinnig gespannt auf die bevorstehenden ereignisse.

In dem kleinen Avroliner, der uns nach Brüssel bringen soll, ist es erstmal schlicht und ergreifend arschkalt. Man muss sich wohl gedacht haben, dass die passagiere ausreichend körperwärme mitbringen, um dem flieger angemessene temperaturen zu verschaffen, heizen ist in zeiten der ausgehenden wirtschaftskrise überbewertet. Eiskalt beziehungsweise nicht vorhanden ist auch der service, jegliche wärme, und sei's nur die eines kaffees, will bezahlt werden, was einigermaßen ernüchternd (besonders blöd, wenn man eh nix im magen hat) wirkt, da wenigstens ein kleines frühstück schon zu den fixen erwartungen gehört hat.

Das ist aber schnell vergessen, man plaudert, liest, nickt ein bisserl ein und landet nach knapp zwei stunden flug im verregneten Belgien, selbstverständlich in einem terminal, der möglichst weit weg vom anschlussgate ist, damit einem in der verfügbaren stunde nur ja nicht fad wird. Also laufen wir erstmal los, hinauf, hinunter, über rolltreppen, die mal rollen und mal nicht, ist völlig zwiegespalten, wie man's nun halten soll, mit einer fünfundachtzigjährigen im schlepptau, die so partout nicht den eindruck macht, eine solche zu sein, andererseits aber halt doch eine ist, sich aber wacker und ohne zu jammern, eher amüsiert durchschlägt.

Wir schlingen noch schnell ein frühstück bestehend aus bagels und schaumlastigem cappuccino beim Starbucks runter und hetzen schon zu unserem flieger, sind die letzten beim boarding, aber noch gut in der zeit. Man fischt uns erstmal aus der reihe raus, um daten abzugleichen, dann dürfen wir den A330-200 von Jet Airways betreten, einer eher alten mühle wie eine SMS von papa berichtet, nichtdestotrotz optisch in gutem zustand - sieht man von einer platte der kabinenverkleidung ab, die anscheinend hauptsächlich mit unauffälligem klebeband befestigt ist, so dass ich's erst während des fluges bemerke. Angefüllt ist er mit einer deutlich größeren anzahl exotisch wirkender menschen und das personal spricht mit einem herrlichen indischen akzent, ist ein wenig chaotisch, aber sehr freundlich. Nun stehen uns knapp neun stunden flug bevor.

Durch den gang getrennt sitzt neben uns eine stattliche Inderin, die wohl mit ihrem sohn reist, in einem gelben sari gehüllt, sich irgendwie in den beengten sitzplatz zwängend. Sie haben einen kopfpolster zu viel, der uns aber auch nicht abgeht, dennoch gibt sie mir wortlos mit durchringendem blick zu verstehen, dass ich ihn doch zu nehmen habe, wahrscheinlich weil ich mich doch besser um meine oma kümmern sollte, also bedanke ich mich überschwenglich und lasse ihn irgendwo unter unseren sitzen verschwinden.

In unserer nähe ist ein fast permanent schreiendes kleinkind untergebracht, so wie schon am flug nach Brüssel, so wie es sich in letzter zeit immer mehr zu häufen scheint - Tini, hast du da wenigstens einen fluch abgegeben oder teilst du nur?

Dieses mal ist das service wunderbar, es gibt zwei warme, selbstverständlich indische mahlzeiten, die gut schmecken, das besteck ist größtenteils aus metall, es gibt Stella Artois und sogar Tiger Beer. Als eine besondere b'sondrigkeit gibt's als nachspeise sogar ein eis am stiel, so ein schokoladeüberzogenes, nussiges teil - das habe ich noch nie beim fliegen erlebt. Als ob jemand erraten hätte, dass Oma Leni auch das eisgen in sich trägt.

Auch das bordentertainmentsystem lässt nichts zu wünschen übrig, jeder kann individuell sein programm bestimmen und Oma Leni ist vor allem von der funktion begeistert, die auf der karte und mit zahlen und daten die position, geschwindigkeit und umgebungstemperatur etc. anzeigt. Ich kann mir grade mal eine folge von "Two And A Half Men" anschauen, so viel plaudern wir, oder, sagen wir's so, vor allem sie und ein bisschen komme ich sogar zum schlafen.

Beim warten vor dem wc lerne ich ausserdem eine Brüssel lebende Schwedin kennen, die mit einem Bayern verheiratet ist und einen sohn in Wien hat und trotz ihrer ursprünglichen herkunt und in hervorragendem deutsch behauptet, dass Wien eine teure (aber sehr schöne) stadt ist.

Der zwischenaufenthalt in Delhi ist mit zweieinhalb stunden leider äusserst kurz angesetzt, wir hätten beide sehr gerne einen abstecher in die stadt gemacht, so geht sich aber natürlich nichts aus. Abgesehen davon ist es beim anflug dunkel, geschweige denn, das wir fensterplätze haben, so bekommen wir von der stadt wirklich überhaupt nichts mit.

Dafür ergibt sich auch so genug. Es ist heutzutage schon mal etwas aussergewöhnliches, wenn ein flugzeug dieser größe nicht an einem gate andockt, sondern die passagiere per bus zum terminal gebracht werden. Beim aussteigen schwallt uns gleich mal warme, verbrannte luft entgegen, alles scheint in einem dunst zu liegen und ausser ein paar anderen flugzeugen jeglicher größe sieht man nichts, man fühlt sich wie in einer unwirklichen welt.

Etwas umständlich werden wir zusammen mit ein paar anderen passagieren, an lauter vornehmlich großen flugzeugen aus aller herren länder zu einem teil des flughafengebäudes gekarrt, wo ausser der grenzkontrolle nichts zu sein scheint, kein hinweis auf anschlussflüge oder einen transitbereich, alles in einem leicht trashigen zustand, so wie man es sich irgendwie von Indien erwarten würde. Ich wende mich an einen herren, der mit einem block beim eingang steht, von dem ich mir ohnehin schon dachte, dass er sich um transitpassagiere kümmert, der uns aber nur stumm hat passieren lassen. Tatsächlich ist er auch für uns verantwortlich, bittet uns zu warten und geht kommentarlos die namen der handvoll verbliebenen durch.

Offensichtlich fehlen ein paar, die geht er erstmal bei der grenzkontrolle suchen, wir mögen doch warten. Wie die schafe stehen wir also da, ziemlich hilf- und ratlos und warten. Mit einem schlag bin ich sehr froh, dass wir einen relativ langen aufenthalt haben. Aus ein bissl bummeln durch den dutyfree bereich wird aber wohl nix.

Einige zeit später kehrt unser mann zurück, offensichtlich ohne die fehlenden gefunden zu haben, bittet uns, ihm zu folgen. Über stufen geht es einmal ums eck in einen kargen raum, auf den ein pfeil mit der aufschrift "Transit" weist, wo wir wieder warten sollen, während er ein elendslanges formular ausfüllen muss - ansonsten sind ausser uns nur securities da. Alles sehr merkwürdig, mehr als einmal muss ich mich zurückhalten, um nicht ein lautes "määääh" von mir zu geben.

Nachdem die formalitäten abgschlossen sind, geht's weiter durch den terminal, vorbei an wartenden, dann erzählt er der gruppe irgendwas unverständliches, von wegen das jene die nach dahin (was auch immer er da sagt), hier warten sollten, während die anderen weitermarschieren. Da wir uns nicht als jene fühlen, die dahin wollen, laufen wir einfach weiter nach, bis wir beim üblichen sicherheitscheck landen. Dort lässt er uns dann alleine. Mittlerweile ist fast die hälfte unserer zeit verstrichen.

Auch der security-check bietet seine merkwürdigkeiten. Als da wären, dass männlein und weiblein eigene metalldetektoren und securities haben und dass der mich scannende typ sehr detailliert wissen will, woher wir eigentlich kommen, wohin es gehen soll, wo meine alten boardingkarten sind, somblablö ... Arme oma leni, die wohl die gleiche prozedur über sich ergehen lassen muss, aber kein Englisch spricht, also wahrscheinlich nicht weiss, was von ihr verlangt wird. Noch dazu muss man boardingkarte und pass bei sich tragen, während in anderen ländern da schon die detektoren ausschlagen. Glücklicherweise habe ich alles dabei und nach einigen ratlosen blicken wird mein boardingpass abgestempelt und ich darf durch. Zwischenzeitlich hat schon die kollegin rübergeschaut, die meine oma zu durchleuchten hatte und wohl begriffen, dass wir harmlos sind, so dass wir beide weiter reisen können.

Viel zeit bleibt nicht, wir stöbern noch kurz in einem laden für indische souvenirs - wenn man schon mal da ist ... - und erforschen die hiesigen sanitäranlagen, dann begeben wir uns schon zu unserem gate, wo glücklicherweise eine bar in der nähe ist, so dass wir uns noch ein herrlich erfrischendes Kingfisher und einen orangensaft genehmigen können, wo wir im austausch für unsere Euros noch ein paar Rupien mit Ghandis konterfei bekommen - besser als jedes andere souvenir aus dem ramschladen.

Weiterhin frage ich mich permanent, wie's Oma Leni bei all den anstrengungen und mühseligkeiten geht, aber wann immer wir uns drüber unterhalten, reagiert sie nur mit berechtigter leiser kritik am system und vor allem trockenem, schwarzen humor oder einfach nur gelassen, während sie alles neue um sich herum aufsaugt und über alles positive jubelt.

Aber noch sind wir nicht im flieger. Beim boarding werden wir wieder aus der reihe geholt, weil man mit den von Brussels Airlines ausgeställten bordkarten nichts anzufangen weiss. Mittlerweile haben wir uns an dieses kafkaeske durcheinander gewöhnt und liebäugeln schon fast mit einer ungeplanten nacht in Delhi. So stehen wir also da, während permanent leute aller art zum bus laufen dürfen und zum flugzeug gebracht wird, während man uns noch nicht mal um geduld bittet. Bloß dass man jemanden holen würde, der das ganze aufklärt, verspricht man uns. Es passiert aber erstmal ewig nix. Bis dann jemand auftaucht, der neue boardingpässe für uns hat, die genau die gleichen infos enthalten, wie unsere, nur dass sie auf papier mit dem logo von Jet Airways gedruckt sind. Mit diesen dürfen nun sogar wir passieren.

Erstaunlicherweise beginnt mit unserem besteigen des busses laut meiner uhr erst das boarding, und die habe ich extra auf hiesige zeit umgestellt. Und noch viel erstaunlicher ist, dass wir trotz alldem mit unsere 737-800 pünktlich auf die startbahn rollen.

Dafür haben wir mal wieder mit unseren sitzplätzen glück, sie befinden sich in der ersten reihe hinter der business-class, so dass wir enorme beinfreiheit haben. Gleich nach dem start gibt's noch mal eine warme mahlzeit, ebenfalls indisch und gut, dann wähle ich "The Informant" aus dem bordentertainmentsystem - das übrigens genau dem der großen maschine entspricht - um möglichst viel von dem viereinhalbstündigen flug zu verschlafen, was mir auch überraschend gut gelingt.

Stephan

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Kommentare der anderen:

Tini schrieb:
09.02.2010 - 18:03 Uhr

=]

nicht ganz ohne neid muss ich sagen: toll! töller! am allertöllsten! ... und: du hast die coolste Oma der welt! ... darf ich sie mir mal ausborgen? ;o) (...übrigens: für das schreiende buzi kann ich nix, und fluchen hilft da auch ned - hab ich schon probiert ;o)
Christa schrieb:
09.02.2010 - 14:19 Uhr
Also schon allein der Hinflug ist ja schon sehr abenteuerlich, aber Du berichtest so humorvoll, dass es schon wieder sehr lustig ist. Die Fotos sind sehr schön und Oma Leni verkraftet das alles tadellos. Super! Lese auch gleich den nächsten Bericht, umärml Ma
Stefan Fitz (Homepage) schrieb:
09.02.2010 - 12:38 Uhr

Wenn man eine Reise macht ...

... hat man vieles zu erzählen. Ach wie zäh, der ganze Zirkus ums boarding. Aber, da kann man wirklich nur mitspielen und hoffen, dass alles gut wird :o) Ich muss glich den näxten Tag lesn *drücker*