Getting there ...
Der flughafen. Unendliche möglichkeiten ... Beijing, Baku oder Teheran leuchten von den Gates ... Buddhistische mönche stehen in der mitte der abflughalle ... Reihenweise asiaten tummeln sich, die aufs boarden nach Seoul warten ... Und ich darf endlich auch wieder fliegen ...
Es kribbelt und zuckt überall in mir, ein unbeschreibliches, nahezu perfektes gefühl breitet sich da in mir aus. Beinahe rauschähnlich ... Chris wird in kürze auch hier sein und in richtung Tel Aviv aufbrechen ...
Fiebrig tippe ich SMSen der Begeisterung - es ist ja mein erstes Mal alleine. Und es fehlt die möglichkeit, unmittelbar den genuss zu teilen ... Ein kurzes telefonat mit Chris, wir sind beide a bissl überdreht, verschafft abhilfe ... Aber das alleinsein ändert nix daran, dass es einfach nur genial ist ... Zumal die Aufmerksamkeit fürs detail wächst, für andere menschen ... Man hört und sieht viel mehr. Zum beispiel den typen mit der schleppenden stimme, der ununterbrochen redet, gar nicht blöd oder unnett, nur halt in einem tonfall, den man im allgemeinen eher mit geschichtelehrern assoziiert ...
Nach dem Transfer zum Flugzeug fällt's mir schwer, das fotografieren bleiben zu lassen und ebenfalls einzusteigen, der letzte bin ich längst - und bin überrascht, dass mich keiner antreibt, im gegenteil, dass es wohlwollend hingenommen wird. In Paris hätte ich schon einen rüffel geerntet und in New York hätt' sich gewiss gleich ein wütender haufen cops in meiner ungehörigkeit verbissen ...
Im flugzeug selbst zu sein, das ist die vollkommene verkörperung des reisens ... Zwar auf eine art, die einem das bei größeren distanzen auch sehr körperlich vermittelt, aber unübertrefflich ... Die beschleunigung, kurz bevor der flieger abhebt, das schrumpfen alles irdischen und die unzähligen lichter, wenn man des nachts über städte gleitet, das bleibt einfach faszinös ...
Ruinös hingegen sind natürlich die preise, wenn man an bord einer billigairline speisen will, weil man in aller aufregung aufs essen vergessen hat ... Andrerseits kann eh nix ein schnitzi und ein bierli über den wolken toppen, also, was soll's ... So lange wie man nicht gereist ist und so feierungswürdig solche sach'n letztlich auch sind ...
Und wenn man dann grade mal begriffen hat, dass man in der luft ist, an stellen, die mutter natur niemals für uns und erst recht nicht für dieses mich transportierende ungetüm vorgesehen hat, verkündet die kapitänin schon, dass man sich im anflug auf zürich befindet. Diese stadt in einem land, das sich seltsam gallisch verhält und es schafft, die grenzen länger aufrecht zu halten als jene, die sich einst hinter dem eisernen vorhang hielten. Hätten sie nur wenigstens DJ Bobo nicht rausgelassen. Man ist jedenfalls verwirrt ob der gefühle gegenüber einem so offensiv neutralen land - einerseits bewundert man die individualität, andererseits wirkt das alles ein bissl überheblich ...
Das vergisst man aber dann doch recht schnell, wenn man den boden des landes betritt und durch einen überdrüber gestylten flughafen wandelt, der eher an die kulisse eines bondfilmes erinnert - wären da nicht hinweise wie "Heidi - 30 Sec" oder "Mountains - 30 Sec" und ein schriller jodler in dem die terminals verbindenden cableliner. Es bedarf keiner 30 sekunden, dass man mit sämtlichen Schweizer klischees konfrontiert wird, immerhin mit einer gewissen selbstironie. Angriff ist wohl die beste verteidigung. Und das in einem neutralen land ... Ganz besonders überrascht ist man dann, wenn man in gegenwart der zöllner, bei der passkontrolle ungeniert fotografieren darf, ohne erschossen zu werden.
Bei der Gepäckausspuckundumlaufmaschinerie kommt ein leichtes fischgefühl auf, weil nur eine glaswand die überirdischen reisenden von den zurückgebliebenen trennt, und sich letztere dort die nasen plattdrücken, um blicke auf ihre entschwebten verwandten und bekannten erheischen ... Schön, dass auch auf mich ein fischer wartet, und zwar nicht mit geplätteter nase ... Herrlicher könnt's ja kaum sein, dass sich hier zwei der besten dinge der welt verbinden, das reisen und die freundschaft ... Frank, der im begriff ist, nach seiner ursprungsheimat Deutschland und seiner wahlheimat Wien nun den Schweizern in die Käselöcher blicken will, erwartet mich, und ich freu mich riesiglich, dass er da ist.
Ganz viel flutet aus ihm heraus über die eigenheiten des landes, und es bleibt immer wieder faszinierend, wie groß die unterschiede auch binnen kleinster distanzen sein können - und wie global es sich auf ganze völker auswirkt, nur weil sich irgendwer irgendwann eingebildet hat, gewisse grenzen zu setzen. Aber, das macht's ja auch so spannend, eben all diese unterschiede kennenzulernen, zu reisen, zu entdecken und im endeffekt herauszufinden, dass es auch nur menschen sind, nur vielleicht auf andere art verschrobener als man selbst ...
Gemeinsam fahren wir zum ende der landebahn(en), geniessen die intensität der freundschaft und diesen unglaublichen flughafenflair, beobachten ein weilchen die permanent startenden und landenden flieger, wohin auch immer sie unterwegs sind, woher auch immer sie kommen ... Während unter ihnen der flughafen glitzert und blinkt, das es nur eine freude ist ... Absolut genial, erst recht nachdem er ein bierchen zückt, dass wir noch vor ort leeren, bevor wir seine neue bude aufsuchen ... So schön, dass auch größere distanzen innige bindungen nicht gefährden können, es tut einfach nur gut, bei Frank zu sein ...
Bei ein paar weiteren fläschchen des bierchens "Feldschlösschen", käsestückchen und gemütlichen pläuschchens vergeht der abend wie im fluge. Angemerkt sei, das man das bierchen hier in eher kleineren döschen (bzw eben fläschchen) konsumiert, was in summe aber nicht viel ändert. Ausser dass sich beim anblick der dadurch entsprechend vergrößerten anzahl an fläschchen die wirkung des alkohols entsprechend subjektiv verstärkt. Die verniedlichung entsteht nicht nur durch verpackungsgrößen, sondern sie resultiert ganz automatisch aus der häufigen verwendung der endungen "-li" (Restaurant "Pöstli" und "-chen" (siehe oben)). Man kann dann gar nicht mehr anders, als alles mit diminutiven zu versehen, die Schweizer mögen mir das nachsehen.
Die Straßenlaternen zeichnen den Schatten der Äste der Bäume vor dem Haus an die Wand mir gegenüber, der Regen klopft aufs Fensterbrett ... Entweder, das ist zum speiben kitschig oder einfach wunderschön zum einschlafen ... Ich tippe eher auf letzteres und werde jetzt sanft entschlummern ...
Stephan