Amazon.de Widgets
Komm flieg mit // The trip begins here
Warschau // 21.03.2008

Spitzenhoeschen & schnuerlregen

Also, wie gesagt, erstmals alleiniglich unterwegs, wirklich, wirklich alleiniglich dieses mal, ein ganz b'sondriges abenteuer. Der erste tag war ... Ich werd' mich kurz fassen ... Haha. Ein guter witz am anfang, das lockert auf ... Also ...

... der flughafen von Warschau, nach Chopin (dessen herz in der Heiligkreuzkirche begraben liegt - ja, wir menschen sind schon eine ... seltsame spezies) benannt, wirkt eher grau und eintoenig, ein bissl provinziell, zumindest im vergleich zum Zuercher airportli - vielleicht lag's aber auch bloss am wetter. Jedenfalls gereicht er herrn Chopin nicht zu ehren - wenn seine musik von dieser qualitaet waere, wuerden heute keine flughaefen nach ihm benannt. Man kann natuerlich drueber streiten, ob so was ueberhaupt erstrebenswert ist.

Ausserdem steht er vor einem problem. Sobald einmal ein marketingverantwortlicher von T-Mobile vorbei kommt, wird's ihm die haare aufstellen, sind die geraetschaften doch alle in patentiertem Magenta. Oder zumindest schaut's so aus, fuer's laienauge sind diese farbtoene ja alle gleich. Und aufstellen tut's uns die haare auch. Aber sowieso.

Ein seltsames gefuehl ist es schon, alleine unterwegs zu sein ... Schwankend zwischen der euphorie, zu reisen und dem genuss voellig entspannt fotos machen zu koennen - und dann wieder an cafes und beisln vorbei zu laufen, in die man gerne in begleitung einkehren moechte ... Geil isses jedenfalls, keine frage, stehen ja auch noch genug reisen in begleitung an ... Und wir leben ja eh in einer wunderbaren zeit, sind per SMS und internet ja alle nah beeinander ...

Apropos, it's a small world sowieso, wenn man einer Mediamarkt- und Saturnwerbung nach der anderen begegnet ... Geiz ist geilski ... Ansonsten war die fahrt vom flughafen ins centrum wenig spektakulaer, alles grau in grau, langweilige bauten, breite strassen - typische stadteinfahrt halt. Und der regen machte wenig lust ...

Aber dann ... Als wir ins centrum kamen ... Oh mann, was war ich da gleich feuer und flamme ... So eine wilde mischung, dieses Warschau ... Da die modernen hochhaeuser, dazwischen ein vermodernder altbau, raeudige strassenbahnen, die lautstark daherrumpeln und dann wieder ganz moderne zuege. Gigantische werbeflaechen, die gelegentlich leicht an den Timesquare erinnern und mitten drin der Pałac Kultury i Nauki (kulturpalast, eher palast der kultur und wissenschaft), den man schon vom flugzeug aus sah. Von den einheimischen liebevoll und treffend "elefant in spitzenhoeschen" (oder weniger liebevoll: "Stalinstachel") genannt, ragt er wie eine der "Sieben Schwestern" Moskaus aus dem stadtzentrum. Die Warschauer moegen den turm ja nicht, aber ich mag diese Empire State Building-Klotz-Klone ... Und morgen werde ich auf jeden Fall den gipfel erstuermen ...

Nun machte sich aber doch langsam das gewicht des tramperrucksackes bemerkbar, das ich davor leicht mit endorphinen und adrenalin wegspuelen konnte ... Nicht mehr ganz so federnden schrittes und nun doch zur sicherheit den stadtplan konsultierend, machte ich mich zum hostel auf. So schnell wie moeglich wollte ich wieder draussen sein, sooooo viel zum entdecken ... Herrlichst ...

Oki Doki. So heisst nicht nur das hostel, so fuehlte ich mich auch beim betreten. Schon von aussen wirkte es komplett anders, als ich's mir vorgestellt hatte, und bei den breiten treppen, die da raufgingen, fragte ich mich, ob ich da richtig sein konnte ... Aber dann wurde es echt genial, farbenfrohe waende, guter sound und ein angemessenes chaos empfingen mich. Alles gab's, gemuetliche sofas, eine bar, wlan, und zwei sehr sympathische rezeptionistinnen, die sich dabei uebertrumpften, den gaesten das hostel zu zeigen.

Gut, dass ich reserviert hatte, es war ausgebucht. Und bis auf die seltsame regel, dass man keinen schlafsack benutzen darf, war eigentlich alles perfekt. Und die seltsame regel, kein eigenes bier an der bar konsumieren koennen. Und der seltsamen regel, dass die rezeption zwar 24 stunden geoeffnet ist, man aber nach mitternacht einen code fuer die eingangstuer benoetigt. Neben einem schluessel fuer's zimmer, und einen fuer den spind, den jeder hat.

Erst recht genial dann das zimmer. Witzigerweise genau jenes, das ich schon im internet gesehen hatte. Die haelfte in weiss, die andere in rot gehalten, mit einem grossen Le'nin-Bildnis an der wand. Der communism-room, quasi, ihr lieblingszimmer, meinte das maedel vom hostel.

Da gibt's dann wirklich nix zu klagen, das hostel liegt zentral zwischen kulturpalast und altstadt, hat einen 24 stunden McDonald's und den coffeeheaven quasi in sichtweite, es ist absolut perfekt.

Zum McDonald's bin ich dann auch gleich mal gelatscht, zum akklimatisieren, noch nicht ganz bereit, mich auf die einheimischen einzulassen. Das sind vielleicht 500m, aber es dauerte, aufgrund der masse an motiven. Irre. Tolle stadt. diese gegensaetze wieder, von raeudig ohne ende, bis zu hastdunichtgesehen-hightech.

Jedenfalls, McDonald's. dritter versuch (langsam bekomme ich wieder hunger). Ich stelle jetzt mal eine theorie in den raum. Denn eigentlich gehoert der fastfood-riese ja zum absoluten tabu fuer alternativ-reisende im ausland, so nicht dringende beduerfnisse dorthin fuehren, denn dort sind zweifellos weltweit saubere anlagen zu finden. Weil, essenstechnisch sollt' man sich ja doch an der eingeborenenkueche laben, wenn man schon mal die chance hat.

Der meinung war ich bisher auch. Aber!

Es ist naemlich folgendes: Auch wenn interieur und kalorienbomben ueberall gleich sein moegen, so ist doch eins verschieden - und das ist das einheimische publikum, das man dort irgendwie fast pur erleben kann. Weil nicht gestoert durch tausende andere neue eindruecke. Insofern wuerde ich jetzt sogar postulieren, dass ein besuch pro auslandsaufenthalt schon drin sein sollte (ohne dass man sich dafuer schaemen muss).

Das war heute insofern ganz nett, als dass ich da gleich ein paar brocken polnisch mitbekam, also gruessen, bedanken, ja, nein ... Sehr fein.

Dann spazierte ich halt einfach mal los. Zuerst um den Kulturpalast herum strawanzend, mich von ihm und seinen neueren schwestern und bruedern erschlagen lassend, weil dort die hochhaeuser ja schiessen wie die schwammerl. Und dann auch gleich ueber fassadenteile verfuegen, die lichtspiele machen, schriftzuege darstellen, uns mit werbung zuspammen. Aber es schaut halt doch schon auch irgendwie cool aus.

Weiter wurschtle ich mich, irgendwie richtung altstadt halt, recht ziel- und vor allem planlos, der erste abend gilt mal nur der erforschung ... Was ja eigentlich eh am spannendsten ist, mehr als nur die typischen sehenswuerdigkeiten abzuklappern - was natuerlich auch wichtig ist. Meistens werden's ja nicht umsonst so bezeichnet.

So aber durchquere ich eine menge dunkler, leerer gassen, auf deren nassen pflaster sich die strassenlaternen spiegeln, in leichtem schnuerlregen. Sehr spannend das, so die stadt auszukundschaften, sie mit allen sinnen wahrzunehmen, ungestoert durch touristenmassen ...

Einem durchgang voller graffiti folgend, weil neugierig auf den innenhof, stosse ich auf einen flachen bau voller niedlicher, winziger, sehr sympathischer lokale ... JETZT aergert's mich wirklich, dass ich alleine bin, weil das ja geradezu nach einem besuch schreit, aber so ... Ich weiss nicht, klingt vielleicht bloed, ist es auch, aber so fuehle ich mich nicht wirklich "bereit" dazu ... Ich kapsle mich noch ab, bin gewissermassen so alleine, dass ich mich nicht oeffnen will, kann ... Dauert noch ein bissl, bis ich mich da so richtig dran gewoehne ...

Aja, weil ich grade die fotos durchblaettere, fast haette ich ja vergessen, dass ich im land der schwulen Teletubbies bin ... Ein graffiti deutet das an ... Irgendein ang'schuetter politiker hat das behauptet ... Tut halt doch gut, dass es ueberall auf der welt so komische gibt, die irgendwie meinen, was zum sagen zu haben. Richtig schwul find' ich aber, dass meine kamera seltsame geraeusche zu machen beginnt ... Angst! Grosse angst! Sie darf nicht jetzt den geist aufgeben, nicht jetzt! Und ich muss sie auch noch im nieslregen benutzen, bei unguten temperaturen ... A schas ...

Und ehe ich's merke, bin ich schon im touristentauglich hergerichteten teil von warschau. Keine vermoderten gebaeudeteile mehr, keine schlagloecher, alles ist oder wird hergerichtet ... Irgendwie natuerlich eh schoen, gar keine frage ... Warschau hat ja einiges herzuzeigen ... Gibt ja nicht viele staedte, die im Zweiten Weltkrieg fast voellig vernichtet wurden und dann wieder originalgetreu hergerichtet wurden ... Insofern ist "Altstadt" natuerlich nicht ganz treffend. Aber weiss man das nicht, wuerde man's nie vermuten ... Und jetzt, in der nacht, bei nicht ganz so optima(h)lem wetter, da ist's sogar ganz fein, da durchzulaufen ...

Anfangs nieselt's nur ein bissl, zwischendurch hoerts auch mal wieder auf, aber gegen ende dann regnet's doch recht ordentlich. Klar, wenn man einmal keine reservehose dabei hat ... Dafuer war ich gegen saemtliche temperaturen gewappnet, mit dutzenden schichten isoliert, war's trotz wenigen graedern ueber null nie kalt. Man lernt ja doch von ungeheizten zimmern in Sarajevo und noch immer recht kuehlen wanderungen durch Bukarest ... Jedenfalls geht's ab jetzt in diesen jahreszeiten nur mehr gen sueden, echt ...

Das ist jedenfalls der zeitpunkt, ab dem ich die kamera lieber nicht mehr benutze. Oder nur mehr selten. Grauslich sowas. Regen und kaelte, ja, meinetwegen, aber die kamera nicht mehr benutzen, das ist haerte ...

Gleichzeitig wurde es religioes, Ostern steht ja vor der tuer', Karfreitag ist's. Und trotz einer leider nicht leugenbaren christlichen vorgeschichte meinerseits irritiert mich das dann doch noch, wie sehr die massen da mitmachen ... Wenn ich nicht annaehernd wuesste, worum's geht, waer's ja irgendwie fast schon beaengstigend. Ist es so auch, aber halt anders. Noch dazu wurde ja hier auf polnisch zelebriert, das heisst, ich konnte es nur erahnen. Genauso gut haette es eine islamische prozession sein koennen. Also, rein vom tonfall her und so ... Dieser hypnotische singsang ... Irgendwie versteh ich da schon, das es manchen unangenehm ist ... Weil man's halt nicht versteht, was von den minaretten toent. Dabei ist es im endeffekt doch das gleiche, wie die christlichen lieder, mehr oder weniger. Die haben's nur besser gemacht, durch das gelaeut der glocken haben sie eine universellere sprache gefunden ...

Natuerlich kam mir die prozession rund um das kreuz entgegen, mitten im regen ... Ich lief also im mehrfachen sinne des wortes gegen den strom, und so einfach war das bei den massen nicht, also bog ich dann doch noch ab. Sah mir nur an, wie sie kurz anhielten, um eine kurze szene mit dem riesigen kreuz zu machen, um zu erleben, wie sehr die menge mitlebte ... Wie ernst das alles war ... Wie wichtig es den menschen zu sein schien, da dabei zu sein ... Wirklich wissen tut man's ja nicht, wer nur mitlief, weil es sich so gehoerte, und wer da mit vollem herzen dabei war ...

Ich weiss nur, dass das leben eines der schoensten ist, und dass mir freunde und familie alles geben, was ich brauche ... Und die billigairlines, nicht zu vergessen. Gutes bier, natuerlich auch. Na ja, digicam braucht's auch noch. Und musik. Und internet. Okay, das wuerd' jetzt ausufern. Aber halt sehr weltliches, irdisches. Bin ja gegenueber allem postmortelem aufgeschlossen, nur drauf verlassen moecht' ich mich halt nicht, da mach ich's mir schon vorher noch recht gmiadlich.

Was in dem moment erst mal bedeutet, ins hostel zurueck zu kehren, meine mueden glieder auszustrecken und in aller kuerze zu berichten, was so passiert, gefuehlt wurde ... Mich also von den massen zu entfernen und durchs naechtliche, furchtbar nasse und doch gehaltvolle Warschau zu laufen ... Flair hat die stadt eindeutig. Und so mitten in der nacht durch einen park zu spazieren, mit dunklen, laublosen baeumen waehrend der regen geraeuschvoll auf die jacke prasselt, das hat schon was. Der weg zum hostel war ja nicht weit ... Oki Doki, gewissermassen ...

Uwaga! Das heisst "Achtung" auf Polnisch. Jetzt wird's wuescht! Aaaaaaaaaaaaa kein wlan ... Also, wlan schon, aber mein notebook will dennoch keine verbindung zum internet. Sieht wohl so aus, als waere ich ... Halt, stopp ... Da gibt's vielleicht noch rettung, hier im hostel gibts in der lobby noch internet-pcs ... Ha!

Ein bisschen pensionaer komm' ich mir jetzt doch vor, dass ich schon im bett lieg, in gesellschaft von unmengen e-spielzeug ... Andererseits, wie g'sagt, es ist das erste mal alleine ... An die zwischenmenschliche seite muss ich mich noch gewoehnen ...

Na gut, jetzt bin ich doch ein bissl grantig. Sollt' ich vielleicht nicht sein, aber wenn kein wlan verfuegbar ist, das notebook spinnt, und es mir mitten beim schreiben abstuerzt, dann darf ich's sein. *grummel*

Dennoch ... Grossartig ist's, einfach nur ...

Stephan

Kommentar verfassen


Um Spam zu vermeiden, müssen wir leider eine Sicherheitsabfrage einsetzen. Wir bitten um dein Verständnis. Danke!